Bruder Igor Hollmann

Warten

Grammatik: Verb · wartet, wartete, hat gewartet
Aussprache: [ˈvaʁtn̩]
Bedeutungsübersicht: an einem Ort, in einem Zustand, in einer Situation kürzere oder längere Zeit bleiben in der Annahme, im Hinblick darauf, dass etw. eintreten wird, was diese Situation ändert
– Aus dem digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache –

 

Liebe Freunde und Unterstützer des „Projekt Omnibus“,
liebe Familien, liebe Kinder,

wir stehen kurz vor Weihnachten und am Ende eines Jahres, das im Hinblick auf die Belastung durch die Pandemie so schwierig wie das Jahr zuvor für uns war.

Es ist Adventszeit, die Zeit der hoffnungsvollen Erwartung der Geburt Christi. Das Warten ist eine wichtige Geduldsprobe, nicht nur jetzt, kurz vor Weihnachten, sondern auch in unserem Alltag. Wir leben gerade in einer schwierigen Zeit, in der das Warten viel Kraft kostet und die Geduld ein sehr wertvolles Gut ist. Die Menschen sehnen sich nach Normalität. Ich möchte doch nur mein Leben zurückbekommen. Wie wäre es, wieder mal ohne Angst und Unsicherheit zu leben? Wird es denn wieder so sein, wie es war? Wir warten… Wie lange schon? Wie lange noch? Ich glaube, dass das Warten zu den wichtigen und zugleich schwierigen Zuständen unseres menschlichen Daseins gehört. Im Warten hoffe ich auf das Eintreten des Ersehnten in mein Leben, auch wenn es manchmal ungewiss ist und mich verzweifeln lässt.

Die Umschreibung der Bedeutung des Verbs „warten“, die ich am Rand hinzugefügt habe, gefällt mir persönlich sehr gut. Im Wortgehalt von „warten“ hat die Hoffnung ihre Spuren hinterlassen. Ich warte oder hoffe, dass etwas in mein Leben, in meine Situation, in mein aktuelles Befinden eintritt und eine Veränderung vornimmt. Niemandem ist zu wünschen, dass dieser Aspekt der Hoffnung im Warten verloren geht. Aus dem hoffnungslosen Warten resultiert Furcht, die unserem Leben die Farben raubt. Für mich hat Warten etwas mit Veränderung zu tun. Man befindet sich in einer Übergangsphase zwischen „Ist-Zustand“ und „Ich-Wünsche-Mir-Zustand“. Dieses Warten geht nicht spurlos an uns vorbei. Es verändert uns und lässt uns innehalten. Es ist ein Zustand der Ungewissheit, in dem wir uns manchmal hilflos vorkommen, weil wir die Situation des Wartens nicht unter Kontrolle haben und die Zeit für uns stillzustehen scheint. Oft fällt es uns schwer, die Anspannung während des Wartens auszuhalten. Vielleicht fürchten wir, dass die Stimmung kippen könnte. Was bleibt uns nach einer negativen Wende? Angst, Leere, Fragezeichen? Was sind denn meine Quellen der Hoffnung? Wo schöpfe ich Kraft?

Unsere Familien hier im Omnibus kennen den beschriebenen Zustand allzu gut. Sie verbringen sehr viel Zeit mit Warten und Hoffen. Sie warten auf das Gesundwerden ihrer Kinder. Sie warten auf Untersuchungsergebnisse. Sie warten bis ihre Kinder nach der OP wieder zu sich kommen. Sie warten, dass sie ihre Kinder mit nach Hause nehmen dürfen. Sie warten, sie hoffen, sie verzweifeln und geben nicht auf. Das ist eine Art von Adventszeit für Fortgeschrittene. Das Warten, in dem der Hoffnungsverlust bis zum letzten Atemzug keine Option ist.

„Gott hat mir mein Ich gegeben.
Er ist Mensch geworden in Dir, in mir.
Komm zu mir und bleib bei mir.
Ich darf bei dir, bei jedem
Wohnung haben“
-Pater Michael Först-

Ich möchte mich im Namen all unserer Familien für Ihre Unterstützung bedanken. Mit Ihrer Hilfe ermöglichen Sie uns hier vor Ort, diese oft schwierige Wartezeit zu überbrücken und zu gestalten. Dieses Wissen, von vielen Händen getragen zu werden, vermittelt den Eltern in unserem Haus ein wenig Sicherheit und Geborgenheit. Ihre Dankbarkeit gebe ich gern an Sie weiter.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein hoffnungsvolles und lichtreiches Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr 2022. Empfangen Sie es mit Hoffnung und Zuversicht und entziehen Sie dem spannenden Warten auf das Neue keine Farben.

Mit weihnachtlichem Gruß auch im Namen des gesamten Omnibus-Teams
Bruder Igor Hollmann

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